Rüdiger Böhm, no legs no limits!
Die Kunst zu leben besteht darin, zu lernen, im Regen zu tanzen, anstatt auf die Sonne zu warten! Das ist die Botschaft von Motivation, Speaker und Mental Coach Rüdiger Böhm. Für Rüdiger Böhm findet man kaum die richtigen Worte. Der Mann ohne Beine ist ein Phänomen: Ein Kämpfer, der sich – einzig durch seinen Willen – nach einem schweren Unfall den Weg zurück ins Leben geebnet hat. Chefredakteur Axel Kahn traf ihn zu einem bewegenden Gespräch.
Rüdiger, wie geht es dir heute?
Danke, sehr gut! Ich genieße das Privileg, das zu tun, was mir unendlich viel Freude bereitet und ganz viel Energie zurückgibt. Nachdem ich dem Schicksal ein Schnippchen geschlagen habe, erzähle ich meine Geschichte gerne und kann Menschen damit helfen, leichter zu leben und ihre Ziel zu erreichen. Was kann mir denn Besseres passieren: Ich sitze hier mit Dir in tollem Ambiente bei einem guten Espresso und darf aus meinem Leben berichten, dabei habe die Freiheit, diese Zeit zu genießen.
Dein Schicksal und deine „Wiederauferstehung“ begann 1997 mit einem schweren Unfall?
Ja, das könnte man so sagen… wobei eigentlich begann meine Geschichte schon bei meiner Geburt: Ich hatte es auch damals schon eilig und wollte einfach nicht die vollen neun Monate warten. Und ich liebte Publikum von Beginn an. Bereits bei meiner Geburt hatte ich über 40 Zuschauer. (lacht) Danach gab es immer wieder viele Situationen in meinem Leben, die mir schon früh zeigten, dass man kämpfen muss, um etwas zu erreichen, und dass es einem das Leben oder das Schicksal nicht immer ganz einfach macht. Aber es hat mir auch gezeigt, dass es sich lohnt, positiv zu sein und alles zu geben!
Stellte sich für Dich nach der Diagnose ein Gefühl der Endgültigkeit ein oder ein „Jetzt-erst-recht“?
Ich habe den Unfall ja live miterlebt und hier schon gemerkt, dass es eng werden würde mit meinen Beinen. Als ich dann irgendwann nach unzähligen OPs und über 30 Tagen im Koma auf der Normalstation lag, war ich zunächst einmal sehr, sehr dankbar, überhaupt noch am Leben zu sein. Endgültigkeit – ein schöner Begriff in diesem Zusammenhang! Er trifft den Kern ziemlich gut. Um mit Herausforderungen oder mit einschneidenden Erlebnissen im Leben dauerhaft umgehen zu können, ist es meiner Meinung nach unerlässlich, loszulassen und die neue Situation zu akzeptieren. Es bringt niemanden weiter, in der Vergangenheit zu leben und sich zu grämen, was man denn hätte alles anders machen können. Das Leben findet eben zum Glück in der Gegenwart statt.
Das „Jetzt-erst-recht“ war der Beginn eines Prozesses, der mit dem unbändigen Willen, wieder laufen zu können, begann?
Nach der Konfrontation mit der neuen Ausgangslage und der Akzeptanz des Unveränderlichen begann die Suche nach Lösungen und Wegen in ein neues Leben. Hier hatte ich unendliches Glück! Zum einen hatte ich eine Familie und wirklich gute Freunde, die mich damals aufopferungsvoll unterstützten. Auch hieraus zog ich zu der Zeit unglaublich viel Energie und Kraft, und es entstand eine Verantwortung, mich eben nicht hängen zu lassen. Das Schlüsselerlebnis – und hierfür bin ich unendlich dankbar – bescherte mir allerdings meine damalige Physiotherapeutin in der Klinik. Sie hatte ihre Ausbildung in Heidelberg absolviert und war dementsprechende informiert über die Möglichkeiten im Umgang mit Prothesen. Ich werde den Tag nie vergessen, als sie das erste Mal zu mir sagte: „Rüdiger, du wirst wieder gehen können – wie gut, das hängt alleine von dir ab!“ Das war meine Initialzündung. Klar gab es unzählige Rückschl.ge. Klar braucht es viel Geduld und einen fast fanatischen Willen, aber das hatte ich ja schon früh gelernt.
Das Leben veränderte sich in alle Richtungen. Wann konntest du dich beruflich neu orientieren?
Ja, das hast du schön gesagt. Mein Leben entwickelte sich zunächst wirklich in die verschiedensten Richtungen. Nach dem Unfall war ich in Darmstadt ja quasi VIP und dementsprechend viele so genannte Freunde hatte ich auch… und irgendwie wollte jeder etwas mit mir machen. Nach gut einem Jahr bin ich aber auch beruflich wieder in den Sport zurückgekehrt. Bei meiner Arbeit als Sporttherapeut konnte ich viele Erfahrungen aus meinem Studium einbringen und gleichzeitig von meiner eigenen Reha profitieren. Als ich dann 2000 bei der DFB A-Lizenz in Heneff war und hier Marco Pezzaiuoli und Markus Kauzcinski kennenlernen durfte, veränderte sich mein Leben nachhaltig. So kam ich schließlich wieder zurück zum Fußball und landetet beim KSC in der Nachwuchsabteilung, wo ich fast zehn tolle und überaus erfolgreiche Jahre erleben durfte, unzählige wirklich nette Menschen treffen konnte und unendlich viel gelernt habe.
Du hast dann als Trainer beim KSC aufgehört und bist in die Schweiz gegangen. Warum?
Manchmal ist es einfach an der Zeit für etwas Neues. Wir hatten mit dem damaligen Präsidium um Präsident Hubert H. Rase und Manager Rolf Domen wirklich ein tolles Arbeitsumfeld und konnten die Nachwuchsarbeit über neun Jahre kontinuierlich entwickeln und uns auch ohne die finanziellen Mittel der großen Clubs als Top-Adresse in der Nachwuchsausbildung und -förderung in Deutschland etablieren. Zu der Zeit mussten wir uns vor niemanden verstecken und wir konnten viele Spieler an den Verein binden, die deutlich bessere Angebote von großen Clubs hatten. Sicherlich gab es zu der Zeit auch viele Neider, aber damit musst du leben, wenn du auch manchmal umspektakuläre Entscheidungen treffen musst. Als das Präsidium seinen Abschied Bekanntgabe und der Verein für einige Zeit in etwas unruhigere Fahrwasser zu geraten drohte, war es auch für mich an der Zeit, noch einmal eine neue Herausforderung zu suchen. Gleichzeitig hatte ich im Winter 2009/10 wieder mit dem Skifahren angefangen. Als dann das super Angebot aus der Schweiz kam, musste ich einfach zusagen. Eine neue Herausforderung, Potenzial, um auch mich wieder neu zu entdecken und zu entwickeln, mit Murat Yakin einen super Cheftrainer, mit dem ich sehr eng zusammenarbeiten durfte, und nicht zuletzt die Nähe zu Bergen und Schnee gaben den Ausschlag für die Schweiz.
Heute bist du mit deiner Geschichte Motivator und Top-Speaker?
Nach drei wirklich schönen und erfolgreichen Jahren als U21- Trainer war für mich der Zeitpunkt gekommen, eine Entscheidung zu treffen. Mit der „Nicht“-Perspektive Cheftrainer stellte sich für mich die Frage, wie es denn jetzt zukünftig weitergehen würde… alle drei Jahre an einem anderen Ort in einem anderen Verein wieder von vorne zu beginnen und den Gesetzen des Berufsfußballs voll ausgesetzt zu sein – und gleichzeitig zu wissen, dass wohl nie ein Präsident den Mut haben würde, mich als Cheftrainer einzustellen. Damit wollte ich mich nicht abfinden. Konsequent wie ich bin, habe ich dann gemäß dem Motto „love it, change it or leave it“ meine Entscheidung getroffen. Heute gebe ich all meine Erfahrungen gepaart mit einer Geschichte als Motivation, Speaker und Coach an meine Kunden weiter.
Dabei geht es aber nicht immer nur um deine Geschichte, sondern darum, dass man aus allen Lebenslagen etwas machen kann, etwas erreichen und aufbauen kann, oder?
Genau, du sagst es! Es ist mir wichtig, den Menschen etwas mitzugeben, einen Impuls zu setzen und meine Gäste in Bewegung – zum Handeln – zu bringen. Grundsätzlich ist der Aufhänger schon immer meine Geschichte. Aber entscheidend für die Entwicklung meiner Kunden bzw. jedes Einzelnen ist es doch zu erkennen, dass Dinge nicht ausgerechnet mir oder dir passieren. Sie passieren einfach. Zur gleichen Zeit und bestimmt sogar in diesem Moment eben auch ganz vielen anderen Menschen. Die Herausforderung besteht aber eben gerade nicht darin, dass Dinge passieren. Vielmehr geht es darum, die richtigen Schlüsse zu ziehen, unveränderliche Dinge zu akzeptieren und sich darauf zu fokussieren, was man aus einer Situation machen kann.
Wie vermittelst Du dabei den Begriff Erfolg?
Erfolgreich sind Menschen, die Herausforderungen und Veränderungen als Chance erkennen und bereit sind, sich zu bewegen. Die besonders Erfolgreichen erkennen solche Chancen einfach noch früher als andere und haben gleichzeitig den Mut und das Urvertrauen in die eigene Stärke, und sie sind bereit für ihren Erfolg „all in“ zu gehen. Es geht nicht darum, sich vor einen Lkw zu werfen (lacht) oder mit dem Rad auf irgendwelche Berge zu radeln oder solche Dinge zu tun. Ich mache diese Aktionen, weil sie mich herausfordern und mir einen Kick geben, wenn ich wieder einmal meine Grenze verschoben habe und mir selbst zeigen konnte, was alles geht, wenn man nur bereit ist dazu. Es geht um Möglichkeiten!
Also ist dies eine zentrale Message als Strategie und Mental Coach, dass es jeder schaffen kann?
Klar! Dies ist eine der Botschaften, die ich vermitteln möchte. Jeder kann im Rahmen seiner Möglichkeiten ganz viel erreichen, wenn er es einfach nur einmal versucht. Das klingt so einfach, ist es aber für die meisten nicht. Auf dem Weg wird sicherlich nicht alles von Erfolg gekrönt sein, aber jede Entwicklung beginnt nun einmal mit dem ersten Schritt und oft müssen wir auch ein paar Umwege in Kauf nehmen, bis wir auf dem richtigen Weg sind. Da bei vergessen wir leider nur zu oft, dass uns alle Erfahrungen weiterentwickeln und helfen. Gerade die einschneidenden Erlebnisse entwickeln uns oft am meisten. Die Natur macht es uns doch vor: Es kann nicht immer die Sonne scheinen, sonst verdorren alle Pflanzen. Nach Sonne folgt Regen, aber eben auch wieder Sonnenschein. Nicht zuletzt deshalb geht es im Leben eben nicht darum, auf die Sonne zu warten, sondern um die Kunst zu lernen, im Regen zu tanzen! Wer sich hierbei nicht immer ganz ernst nimmt und herzlich über sich lachen kann, der erreicht zusätzlich eine gewisse Leichtigkeit, die ihm die Energie verleiht, seine Erfolge auch noch zu genießen!